Von Realität

Donnerstag, 14. Juli 2016

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Ich hatte das noch nie. Das Gedankenwirrwarr in meinem Kopf lässt mich nicht klar denken. Seit dem ich aus Neuseeland zurück bin, herrscht ein komplettes Ungleichgewicht in meinem Leben. Ich denke schneller, als mein Kopf es verarbeiten kann. Gedankengänge werden nicht beendet, was ich daran bemerke, dass ich schon fünf mal diesen Post angefangen und wieder komplett gelöscht habe, weil alles keinen Sinn ergab.

Was ist nur mit mir los? Vor fast sieben Wochen stieg ich aus dem Flieger in Hamburg, aber bin immer noch nicht so richtig angekommen. Nur ganz langsam verarbeite ich alles und das Ergebnis gefällt mir absolut nicht. Ich habe mich einfach verloren. In meiner Beziehung, in meinem Freund, in den letzten 12 Monaten. Dass ich seit Jahren vor der Realität weglaufe, ist ja auch nichts mehr Neues. Aber was ist denn schon die Realität? Für mich bedeutete die Realität das Leben in Deutschland. Mein kommendes Studium, mein Job, meine Freunde. Das Reisen war eben die Flucht davor. Aber wieso denn? Wieso kann das Reisen nicht auch meine Realität sein? Ich war so gefangen in diesem Schubladendenken, sodass ich kaum in der Lage war, mich zurückzulehnen und das unglaubliche Leben, das ich eigentlich habe, zu genießen. Das Glück, so kurzfristig und für eine relativ lange Zeit nach Neuseeland reisen zu dürfen. Das Glück, so wundervolle Menschen in meinem Leben zu haben. Ich möchte wieder in der Lage sein, jeden Moment bewusst wahrzunehmen. Glücksgefühle zuzulassen und nicht immer daran denken zu müssen, dass demnächst dies und das passieren wird. Und vielleicht haben wir alle einfach einen Drang danach, von der Realität wegzurennen. Weil Eintönigkeit scheiße ist. Wie suchen nach neuen Abenteuern, etwas, das die innere Lust stillt, sich lebendig zu fühlen und uns die Frage beantwortet, was der Sinn unseres Daseins ist. Die Welt macht es uns aber so unglaublich schwer, weil sie uns das Gefühl gibt, dass Eintönigkeit erstrebenswert ist. Wir sollen uns ablenken von den tiefen und wichtigen Fragen des Lebens- mit sinnlosen Fernsehsendungen; Jobs, die wir nicht mögen; Dingen, die wir nicht brauchen und Problemen, die keine sind. Ja, das Reisen wohin auch immer war mein Zufluchtsort und mein Freund der komplette Realitätsverlust. Denn diese Welt ist kein Ödland, in ihr herrschen nicht die Regeln der Einförmigkeit. Und ey, ich möchte nicht mehr vor der Realität wegrennen. Vielleicht muss ich das auch nicht. Denn wenn man die Uniformität wegnimmt, dann ist die Realität eigentlich gar nicht mal so schlimm. Und wenn man sich wohlfühlt, dann muss man auch gar nicht mehr wegrennen. 

Jaja, die Zeit in Neuseeland machte mir bewusst, dass ich immer noch diesen großen Pessimisten in mir selbst habe, den ich vorher für eine zeitlang in den Hintergrund rücken konnte. Seitdem ich wieder in Berlin bin, zieht mich diese Negativität so dermaßen runter, dass ich mich selbst jetzt noch immer wieder mal machtlos dagegen fühle. Mein Ziel ist es nicht, den Pessimisten in mir loszuwerden, denn ich glaube, das ist nicht möglich. Viel mehr möchte ich lernen, mich mit diesen negativen Gedanken auseinander zu setzen, irgendwie damit zu leben. Da hilft es nicht, diese graue Wolke im Kopf einfach wegzuschieben und gekonnt zu ignorieren, denn sie kommt wieder, nach jedem Sonnenschein folgt schließlich der Regen. Wichtig ist der Umgang damit, inwiefern lasse ich diese Gedankengänge mein Handeln beeinflussen? Können graue Wolken nicht auf eine Art und Weise auch schön sein? Das schreiben eines Blogs hilft mir enorm, meine Gedanken zu Ende zu denken, auszuformulieren und zu ordnen. Ach Gottchen, ist das schön. Eigentlich muss jeder mal anfangen. 


Neuseeland

Sonntag, 24. Januar 2016

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Das Jahr 2015 kann ich mit nur einem Wort sehr gut beschreiben: Geduld. Warten, bis ich endlich wieder fliehen konnte, fliehen vor meiner Realität in Berlin. Sieben Monate von 12 arbeiten, um meinen Traum von Freiheit zu finanzieren. Dabei kann ich mir weder meine Freiheit erkaufen, geschweige denn vor meinem Leben fliehen. Scheiße, ist das die bittere Realität? Ja, das passiert, wenn man nicht nur Urlaub machen möchte. Das passiert, wenn das Reisen zur Therapie wird. Zur Droge. Und was passiert, wenn die Realität zur Entzugserscheinung wird? Richtig, man holt sich neue Drogen. Aber irgendwann bemerkt man, dass die Droge einen zerstört. Du rennst vor etwas weg, das dich immer verfolgen wird. Dabei vergisst du, dass das Einzige, was deinen Schmerz wirklich stillen kann, du bist- keine Reise, kein Partner. Ich habe in den letzten sechs Monaten komplett vergessen, wer ich bin und was ich will. Zwischen Bali und Neuseeland ist eine Menge passiert, eine große Menge, die ich noch nicht einmal anfangen konnte, zu verarbeiten. 

Es sind knapp zwei Monate vergangen, seitdem ich in den Flieger stieg und so langsam kann mein Gehirn wieder Momente aufnehmen und realisieren. Ich habe eine Menge gesehen, jedoch verschwimmt alles ziemlich ineinander, wenn man sich keine Auszeit gönnt. Einfach mal hinsetzen und die Geschehnisse Revue passieren lassen. Der Körper hat so seine Schwierigkeiten damit, von Stress auf Entspannung zu schalten. Aber das ist komplett normal, lasst euch davon nicht beirren! Meine Fresse, mir geht es doch eigentlich so gut. Ich wache jeden Tag neben dem wundervollsten Menschen auf diesem Planeten auf, kann tun und lassen, was ich möchte und boah scheiße, ich bin in Neuseeland!  photo Photo 20.12.15 20 33 12_zpssyothpzm.jpg
Dieses Land ist unglaublich. Es ist so schwierig, zu beschreiben, wie man sich fühlt, wenn man das erste Mal hier ankommt. Frische Luft. Stechende Hitze. Ein bisschen mehr und es ist unaushaltbar. Scheiße und die Autos fahren auf der falschen Seite, daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Kaum zu glauben, dass ich noch nicht überfahren wurde. Links, rechts, Links. So wurde es einem im Kindergarten beigebracht, nicht? Jedenfalls wohne ich in einem kleinen bescheidenen Vorort von Auckland, in Otahuhu. Mein Freund sagt immer, sie wären die einzigen weißen Menschen, die hier wohnen und da hat er verdammt recht. Auf der Straße riecht es nach Indischem Curry und Kebab. Zwei Vietnamesische Lebensmittelläden in unmittelbarer Nähe zu unserem Haus. Es ist ein Paradies für verfressene Menschen wie mich. Und meine Fresse die Natur. Sie ist großartig, daran kann man gar nicht zweifeln und es ist auch wirklich nichts Neues. Wir sind mit dem Auto durchs halbe Land gefahren und haben atemberaubende Momente erlebt. Momente, die man nicht in Worte und nicht in Bilder fassen kann. Es ist so, als würde Neuseeland nicht wollen, dass es möglich ist. Man muss selber hierher kommen, um das zu erleben. Es ist dieses Neuseelandgefühl, wovon meine Freundin Pia immer gesprochen hat und welches ich bis kürzlich nicht nachvollziehen konnte. Doch jetzt verstehe ich es. Dieses Land ist magisch, mystisch und doch so offen zugleich. Die Zeit hier vergeht langsamer, die Menschen sind gelassen. Keine Hektik, kein Stress. Ich habe das Gefühl, so etwas gibt es in Deutschland gar nicht. Trotz dessen kommt manchmal ein wenig Heimweh auf. Günstiges Essen und Ausgehen, das fehlt mir hier unglaublich. Die verträumten Straßen der europäischen Großstädte. Ein bisschen mehr Kultur, ein bisschen mehr Architektur. Ja, ich merke zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich einfach ein Stadtkind bin. Doch ich merke auch, dass mir dieses Land extrem gut tut. 


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